Corona bremst Kulturstadtverein. Helm: „Ein solches Jahr braucht die Kultur nicht noch einmal.“

Der Verein Kulturstadt Wolfenbüttel konnte im Jahr 2020 nur wenige seiner Pläne umsetzen. Die corona-bedingten Einschränkungen machten bei vielen Vorhaben einen Strich durch die Rechnung.

„Ein solches Jahr braucht die Kultur nicht noch einmal“, sagte Vereinsvorsitzender Professor Christoph Helm während seines Rückblicks im Rahmen der Jahresversammlung. „Wir haben viel Kraft investiert in Veranstaltungen und Aktionen, die dann doch nicht stattfanden.“ Lediglich sechs der geplanten 30 Veranstaltungen hätten durchgeführt werden können.

Die Jahresversammlung  am Freitag, 22. November, war die siebte Veranstaltung des Jahres. Und auch sie fand unter strengen Auflagen statt. 22 Vereinsmitglieder trafen sich im großen Konzertsaal der Landesmusikakademie. 22 weitere Mitglieder des Vereins hatten ihre Stimmen übertragen, so dass die Versammlung beschlussfähig war.

Immerhin habe das Konzert mit vier Kantaten des Hofkampellmeisters Georg Caspar Schürmann im Januar in der Kirche St. Trinitatis wie geplant noch ohne Einschränkungen stattfinden können, berichtete Helm. Die CD mit der Musik des Ensembles Weser-Renaissance unter der Leitung von Manfred Cordes soll noch im November erscheinen. Es ist bereits die fünfte CD der Reihe Musik aus Schloss Wolfenbüttel.

Die Lessing-Winckelmann-Ausstellung im Museum Schloss Wolfenbüttel wurde im Februar zwar noch eröffnet, aber mehr als einen Einstieg in das Thema machte der Corona-Lockdown nicht mehr möglich. Zum 100. Todestag von Julius Elster legten Helm und Rudolf Fricke an Elsters Grab Blumen nieder.

Im Rahmen des Themenjahres  „Kunst, Handwerk, Kunsthandwerk“ fand der geplante Besuch der Steinmetzschule in Königslutter zwar statt, aber die Teilnahme war nur wenigen Interessierten möglich. Und auch bei den wichtigen Veranstaltungen zur Sanierung des Dachbodens des Schlosses und den Arbeiten am Prinzenpalais waren nur wenige Besucher zugelassen.

Die Tagung der WWW-Städte im November in Weimar musste abgesagt werden. Besonders bedauerlich war das laut Helm auch, weil die sechs kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen des Bundestags ihre Teilnahme bereits zugesagt hatten. „Es wäre mehr möglich gewesen“, betonte Helm.

Das Thema des Jahres 2020, „Kunst, Handwerk, Kunsthandwerk“, will der Verein im Jahr 2022 erneut aufgreifen. 2021 soll der Komponist Michael Praetorius im Mittelpunkt stehen. „Das wird ein großer Wurf“, zeigte sich Helm optimistisch: “Wir haben eine Fülle hochkarätiger Veranstaltungen vorbereitet, und wir hoffen, dass wir das ohne Einschränkungen machen können.“ Ein Flyer mit dem umfangreichen Programm lag während der Jahresversammlung bereits aus.

Noch in diesem Jahr soll die zweite Auflage des „Jüdischen Rundgangs“ erscheinen. Darin enthalten: ein Kapitel zur Neuerweckung der Samson-Schule. Ebenfalls in diesem Jahr soll der 22. Band der Akzidenzen der Winckelmann-Gesellschaft herauskommen.

„Das Leben ist voller Überraschungen. Haben Sie Nachsicht, dass wir so wenig für unsere Mitglieder zu bieten hatten“, schloss Helm und verwies auf die Website des Vereins, die einen „kleinen Ersatz“ bieten soll für die vielen Veranstaltungen.

Zum Abschluss berichtete Professor Dr. Jochen Luckhardt über Künstler des 16. bis 18. Jahrhundert die aus den Zentren Europas nach Wolfenbüttel kamen. Luckhardts These: Anfangs sehen sich die Maler noch eher als Handwerker, aber mit dem Aufkommen von Hofkünstlern ändert sich das Selbstverständnis. Die künstlerische Qualität und die Überzeugung der Beste zu sein, rücken in den Mittelpunkt.

Luckhardt machte das an sechs Künstlern deutlich. Hans Vredemann des Vries (1527 bis 1609) kam noch als Baumeister aus Antwerpen nach Wolfenbüttel. Stauwehre hat er entworfen und die Kanzlei. Man gehe außerdem davon aus, dass Pläne für das Kanalsystem Wolfenbüttels von ihm stammen. Als bedeutendes kunstgeschichtliches Werk nannte Luckhardt den Altar aus Schloss Hessen. Heute ist das Werk nicht mehr an einem Ort zu finden. Die Flügel sind im Schlossmuseum zu sehen, das Mittelteil in der Hauptkirche und der Rahmen in der Johanniskirche.

Als Vertreter des Höfischen Manierismus kam Christoph Gertner 1623 aus Prag nach Wolfenbüttel. Luckhardt zeigte als Beispiel das „Urteil des Paris“, ein Bild mit zahlreichen biografischen Verweisen. Gertner sollte Gemälde Zeichnungen und Entwürfe anfertigen. Zahlreiche Werke entstanden für das Schloss Salzdahlum. Gertner blieb bis 1620 in Wolfenbüttel.

Als Vertreter des Hochbarock kam Joachim Luhn (1640-1717) aus Hamburg an die Oker. Luhn war mehrmals in Salzdahlum und malte dort Räume aus. Bei ihm finden sich zahlreiche Verweise auf eine hamburgische Malertradition.

Um 1700 stieg die Zahl der Künstler am Wolfenbütteler Hof an, betonte Luckhardt. Johann Konrad Eichler kam aus Rom. Von 1717 bis 1748 war er als Hofkünstler engagiert.

Wie stark das künstlerische Selbstverständnis schließlich ausgeprägt war, machte Luckhardt an Joseph Gregor Winck aus Bayern deutlich. 1743 kam er nach Hildesheim. Er wurde für die Ausgestaltung von Deckenfresken in ganz Norddeutschland engagiert. Winck nahm in großem Stil Einzelaufträge an. Von ihm stammen unter anderem Werke in Dorstadt und in der Schlosskapelle Liebenburg. Und er verstand sich eindeutig als Maler, der nicht mehr Handwerker sein wollte. Seine Farben bezog er aus Augsburg, einem künstlerischen Zentrum mit zwei Malerakademien. Seine Bilder signierte er mit  „Bayer“.  Luckhardt: „Als Künstler hat er Qualität im Sinn und verfolgt seine eigene Kunst. Er sagt: Ich bin der, der es am besten kann. Ich bin aus Bayern.“

 

 

Prof. Dr. Christoph Helm                              Prof. Dr. Jochen Luckhardt | Foto: Kai-Uwe Ruf

 

 

Bericht im Wolfenbütteler Schaufenster vom 29.11.2020