Wie Handwerker Stein formen

Der Verein Kulturstadt Wolfenbüttel war zu Gast in der Steinmetzschule in Königslutter

Königslutter. Wie Handwerker Stein gestalten und daraus sogar Kunstwerke formen erlebten Teilnehmer einer Exkursion des Vereins Kulturstadt Wolfenbüttel. Mit der Besichtigung der Steinmetzschule in Königslutter startete er sein Themenjahr mit dem Titel Kunst, Handwerk, Kunsthandwerk. Alle bisherigen geplanten Veranstaltungen dazu waren den Corona-Beschränkungen zum Opfer gefallen.

„Für eine Fachwerkstadt wie Wolfenbüttel mit der Hauptkirche und vielen anderen Gebäuden aus Stein ist der Bezug zum Steinmetz-Handwerk augenscheinlich“, betont Vereins-Vorsitzender Christoph Helm. Zehn Teilnehmer aus Wolfenbüttel haben sich auf den Weg über den Elm gemacht. Schulleiter Kai Görder präsentiert ihnen eine Mischung aus traditionellem Handwerk und Hightech-Arbeit. In der Werkstatt treffen sie Auszubildende, die mit Hammer und Meißel voller Konzentration Skulpturen fertigten. Es werden ihre Gesellenstücke.
Die andere, hochmoderne Seite erläutert Görder anhand einer computergesteuerten Fräse. Die Schüler lernen unter anderem, die nötigen Codes für sie zu programmieren.
An einer riesigen Säge, mit der bis zu 3,50 Meter lange Steinblöcke bearbeitet werden können, macht der Schulleiter deutlich, wie Handarbeit und moderne Technik zusammenspielen: „Die Säge ist ein Hilfsmittel, um das grobe Material wegzubekommen. Das Schöne bleibt in der Hand des Steinmetzes.“

Beeindruckende Werkstücke gibt es bereits zu Beginn der Führung vor dem Schulgebäude zu sehen. Dort stehen Bögen aus Sandstein im gotischen Stil. Sie sind mehr als mannshoch. Schüler haben sie in ihrer Freizeit gefertigt, erzählt Görder. Das Material dafür kommt von weit her. Im Elm wird kein Stein mehr abgebaut. „Es hat sich nicht mehr rentiert“, sagt der Schulleiter.
Nach dem Ausflug in der Werkstatt geht es weiter ins Labor. Wenn die angehenden Gesellen dort die Schulbank drücken, steht oft Gesteinskunde auf dem Lehrplan. Bis zu 80 verschiedene Gesteine müssen die Steinmetze am Ende ihrer Ausbildung benennen können, sagt Görder. Viele davon sind zumindest als kleine Probestücke im Labor vorrätig. Das wertvollste Exemplar schimmert leicht bläulich: Azul Macaubas. Etwa 2000 Euro muss man laut Görder für eine einen Quadratmeter große Platte des brasilianischen Werksteins auf den Tisch blättern.
Die Schüler arbeiten mit preiswerterem Material, das sie teils bis an die Grenze belasten. Mit bis zu 30 Tonnen Druck wird im Labor Stein gebrochen. In einem Ofen werden Steine erhitzt, um zu demonstrieren, wie sich das Material bei hohen Temperaturen verhält.
Sieben Lehrer gibt es an der Schule in Königslutter. Sie unterrichten 164 Schüler. „Fachlich kann uns keine andere Steinmetzschule in Deutschland etwas vormachen“, ist Görder sicher.
Und die Berufsaussichten sind „bombig“, betont er auf Nachfrage. Dennoch gibt es Grenzen. Wer beispielsweise Restaurator werden möchte, braucht eine Zusatzausbildung. Und bei den Denkmal-Ämtern seien die handwerklich fitten Spezialisten trotz allem häufig nicht erste Wahl. Diplomierte Restauratoren seien dort meist mehr gefragt. Görder bedauert das, genau wie viele seiner Besucher. „Aber es wird besser“, meint der Schulleiter. „Ganz einfach, weil das Handwerk boomt.“

 

 

Fast zwei Stunden dauerte die Führung. Helm und sein Team wollen mit ihr nach beinahe vier Monaten Veranstaltungspause wieder durchstarten. Ein Besuch bei Irmela Wrede in der Tischlerei Ebenholz in Mönchevahlberg war vergeblich angesetzt gewesen ebenso wie eine Führung im Landesarchiv, in dem umfangreiches Material zur Geschichte von Künstlern und Handwerkern aufbewahrt wird. Und auch die Präsentation historischer Bucheinbände in der Herzog-August-Bibliothek musste ausfallen. Es sei noch nicht klar, wann sich die Institutionen wieder weit genug für Gäste öffnen könnten, erklärt der Vereinsvorsitzende: „Ich hoffe, dass wir einiges nachholen können.“

Die Folgen des Lockdowns und der Corona-Beschränkungen macht der Verein zu einem weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit in diesem Jahr. Während der Jahrestagung der WWW-Kulturstädte am 11. und 12. November in Weimar werde es um die Auswirkungen der Krise auf die Kultur und die Kulturstädte gehen, berichtet Helm und betont: „Wir haben dazu eine tolle Resonanz aus den teilnehmenden Städten.“ Neben Wolfenbüttel und Weimar nehmen auch Wittenberg, Halberstadt, Kamenz sowie Helmstedt und Blankenburg an der Tagung teil. Helm: „Alle haben die gleichen Probleme. Die Beschränkungen haben eklatante Auswirkungen auf den Haushalt. Es gibt enorme Probleme für die Kultureinrichtungen.“
Helm hofft, politische Wirkung zu erzielen. „Wir wollen mit Bundes- und Landesvertretern über das Thema sprechen und erfahren, wie es weitergehen soll. „Wir wollen wissen, wie das kulturelle Niveau erhalten werden kann.“ Aus Wolfenbüttel hätten bereits Bürgermeister Thomas Pink und die Leiterin des Kulturbüros, Alexandra Hupp, ihre Beteiligung zugesagt, um darzustellen, wo der Schuh drückt.
Ein weiterer Schwerpunkt: Im Oktober soll eine Neuauflage des Büchleins „Jüdischer Rundgang Wolfenbüttel“ erscheinen. Ergebnisse einer Zusammenarbeit mit der Großen Schule und des Gymnasiums im Schloss werden dann darin enthalten sein. Die Schüler befassten sich mit dem Schicksal jüdischer Kinder an ihren Schulen. Außerdem will Helm in einer Zusammenarbeit mit dem Museum Schloss Wolfenbüttel die Neuerungen zur Samson-Schule in die Publikation aufnehmen.